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Der Holocaust

Neue Studien zu Tathergängen, Reaktionen und Aufarbeitungen, Jahrbuch zur Geschichte und Wirkung des Holocaust 2017

Erschienen am 09.11.2017, 1. Auflage 2017
Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783593507996
Sprache: Deutsch
Umfang: 259 S.
Format (T/L/B): 1.6 x 21.3 x 14.2 cm
Einband: Paperback

Beschreibung

Die Geschichte und die Wirkung des Holocaust werden nicht nur von Historikern erforscht, sondern unter anderem auch von Literatur und Sprachwissenschaftlern sowie von Film und Fotowissenschaftlern. Stellvertretend für zahlreiche neue Studien stehen die zwölf in diesem Band versammelten Beiträge, die im interdisziplinären Doktorandenkolloquium des Fritz Bauer Instituts diskutiert worden sind. Viele verfolgen einen transnationalen Ansatz und gehen - im Sinne Saul Friedländers - über die Perspektive reiner Opfer bzw. Tätergeschichtsschreibungen hinaus. So gelangen Uneindeutigkeiten, Wechselwirkungen und Gleichzeitigkeiten in den Blick. Jahrbuch zur Geschichte und Wirkung des Holocaust

Autorenportrait

Jörg Osterloh, Dr. phil., ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fritz Bauer Institut in Frankfurt am Main. Katharina Rauschenberger, Dr. phil., ist dort wissenschaftliche Mitarbeiterin und Programmkoordinatorin.

Leseprobe

Einleitung Jörg Osterloh, Katharina Rauschenberger Das vorliegende Jahrbuch gibt einen Einblick in zwölf Promotionsvorhaben, die in den vergangenen Jahren in einem vom Fritz Bauer Institut und der Evangelischen Akademie Frankfurt jährlich gemeinsam ausgerichteten interdisziplinären Doktorandenseminar in Arnoldshain präsentiert wurden. Seit 2009 konnten dort jeweils zehn Doktorandinnen und Doktoranden ihre laufenden Forschungsvorhaben in einem geschlossenen Kreis vorstellen und ausführlich diskutieren. Neben Historikerinnen und Historikern waren regelmäßig Forschende verschiedener Nachbardisziplinen vertreten, da die Holocaustforschung mittlerweile weit über die Geschichtswissenschaft hinaus in zahlreichen Fachrichtungen wie etwa der Literaturwissenschaft, den Film- und Medienwissenschaften, den Erziehungs- und Kulturwissenschaften eine wichtige Rolle spielt. Das Seminar ermöglichte es den Teilnehmenden, sich über theoretische, methodische und darstellerische Fragen, die alle gleichermaßen betreffen, auszutauschen und durch den interdisziplinären Ansatz auch über den Tellerrand der jeweiligen Fragestellung hinauszuschauen. Auf diesem Wege trug die Veranstaltung dazu bei, einer Verinselung der Forschung der Doktorandinnen und Doktoranden entgegenzuwirken, und bot ihnen eine Plattform, auf der Kontakte geknüpft werden konnten. Die bis 2016 in Arnoldshain vorgestellten 77 Dissertationsvorhaben sind vor allem an deutschen und österreichischen Universitäten entstanden. Thematische Schwerpunkte waren unter anderem Forschungen zu den nationalsozialistischen Konzentrations- und Vernichtungslagern, Ghettos und anderen Tatorten des Massenmords (17 Projekte), biographische Studien sowohl zu den Tätern als auch zu den Opfern des Holocaust (10), sprach- und literaturwissenschaftliche Analysen (9), film- und fotohistorische Arbeiten (8), Studien zu den Nachwirkungen des Nationalsozialismus und des Holocaust in der Bundesrepublik und in der DDR (7) sowie Untersuchungen zu Gedenkstätten und Museen (5). Die von uns für das Jahrbuch 2017 des Fritz Bauer Instituts ausgewählten zwölf Projekte zeigen eindrucksvoll die thematische Bandbreite, die die Forschung zur Geschichte der Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden und anderer Opfergruppen sowie zur Vorgeschichte und zu den Nachwirkungen der NS-Massenverbrechen heute erreicht hat. Seit Anfang der 1990er Jahre ist das Wissen über die Ursachen, die Organisation und den Ablauf wie auch die Folgen des Genozids an den europäischen Juden erheblich angewachsen. Die Geschichtswissenschaft hat sich seither in einem zuvor nicht gekannten Maße mit der Erforschung der nationalsozialistischen Menschheitsverbrechen befasst. Die folgende historiographische Skizze konzentriert sich auf die Entwicklung der Fragestellungen und Prioritäten der Holocaustforschung im deutschsprachigen Raum, weil die im Folgenden vorgestellten Dissertationsprojekte im Kontext dieser Schwerpunkte entwickelt worden sind. Die Entwicklung der Holocaustforschung in Deutschland seit 1990 Das Ende des Kalten Krieges und die Ablösung der staatssozialistischen Regierungen in Mittel- und Osteuropa bedeuteten eine Zäsur auch für die internationale Wissenschaftslandschaft. Nun standen die bisher nur schwer oder gar nicht zugänglichen Archive offen, wodurch die unmittelbaren Tatorte des deutschen Genozids an den europäischen Juden in den Fokus der historischen Forschung gerieten. Hinzu kam, dass bereits 1992 die Existenz deutscher Akten in Russland bekannt wurde. Diese waren nicht, wie man jahrzehntelang angenommen hatte, im Zweiten Weltkrieg vernichtet worden, sondern lagerten als Kriegsbeute im sogenannten Sonderarchiv in Moskau und standen nach dem Ende der Sowjetunion der Forschung zur Verfügung. In den 1990er Jahren liefen zudem die Sperrfristen für die Ermittlungsakten der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg nach und nach aus, so dass diese nun ebenf