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Fritz Bauer - Kleine Schriften 1+2

1921-1961/1962-1969, 2 Bde, Wissenschaftliche Reihe des Fritz Bauer Instituts 32

Erschienen am 06.12.2018, 1. Auflage 2018
Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783593508597
Sprache: Deutsch
Umfang: 1853 S., in zwei Teilbänden
Format (T/L/B): 12 x 24.7 x 18 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Fritz Bauer ist als der Staatsanwalt in die Geschichte der Bundesrepublik eingegangen, der den Auschwitz- Prozess initiiert und in einer Vielzahl weiterer Fälle die Verfolgung von NS-Verbrechen in die Wege geleitet hat. In Büchern, Aufsätzen, Zeitungsartikeln, Interviews und Reden in Hörfunk und Fernsehen reflektierte er die gesellschaftliche und politische Lage der Bundesrepublik in der Nachkriegszeit. Daneben formulierte er ein kriminalpolitisches Programm, in dem er Ziel und Zweck des Strafrechts grundlegend infrage stellte. Bauer hat in diesen Schriften oft Positionen bezogen, die für seine Zeit ungewöhnlich waren; zugleich zeigen sie, wie eng er dem Denken seiner Zeit verbunden war. Sie gewähren Einsicht in Diskussionen der frühen Bundesrepublik und führen eindrucksvoll vor Augen, wie sich Bauer als Jurist, Remigrant, jüdischer Intellektueller und Sozialdemokrat einmischte und Gehör verschaffte. So eröffnen seine 'Kleinen Schriften' aus heute meist unzugänglichen Zeitungen und Zeitschriften, den Blick auf die Brüche in Bauers Biografie, auf Exil und Remigration als Schlüsselerfahrungen. Fritz Bauer (1903-1968) war eine der bedeutendsten Persönlichkeiten im Kampf für die juristische Ahndung der NS-Verbrechen in den 1950er- und 1960er-Jahren in der Bundesrepublik. Von den Nationalsozialisten ins Exil getrieben, kehrte Bauer 1949 nach West-Deutschland zurück und setzte sich als hessischer Generalstaatsanwalt für die Demokratisierung des Landes ein. Er hatte wesentlichen Anteil am Zustandekommen des Eichmann-Prozesses, war maßgeblicher Initiator des Auschwitz-Prozesses in Frankfurt am Main (1963-1965) und strengte ein Verfahren gegen Beteiligte am NS-'Euthanasie'-Programm an. 'Ein Humanist und Demokrat [.] ein Visionär des Rechtsstaats' Heribert Prantl, Süddeutsche Zeitung

Autorenportrait

Lena Foljanty ist Juristin und Rechtshistorikerin; sie ist Leiterin einer Forschungsgruppe am Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte in Frankfurt am Main.

Leseprobe

Vorwort Fritz Bauers Engagement galt dem Kampf gegen autoritäre Strukturen im Staat, im Rechtswesen und in der deutschen Gesellschaft - und das über die politischen Umbrüche des 20. Jahrhunderts hinweg. 1903 geboren und im Kaiserreich aufgewachsen, setzte sich Bauer in der Weimarer Republik für die Sozialdemokratie ein. Deswegen und weil er Jude war, wurde er im Nationalsozialismus verfolgt. Er konnte rechtzeitig nach Skandinavien fliehen und kehrte im Jahr 1949, als die Bundesrepublik Deutschland gegründet wurde, aus dem Exil zurück. Sein Ziel war es, die NS-Verbrecher zu verfolgen, das west-deutsche Rechtssystem zu reformieren und in der Gesellschaft ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass jeder Einzelne für das, was im "Dritten Reich" geschehen war, Verantwortung zu tragen hatte. Bauer war davon überzeugt, dass ein sozialer und demokratischer Rechtsstaat in Deutschland nur dann entstehen konnte, wenn sich die Deutschen über die Verbrechen Rechenschaft ablegten und sich auf diese Weise verbindliche Normen gaben, die den neuen Staat vom nationalsozialistischen Unrechtsstaat abgrenzten. Fritz Bauer hat viel geschrieben, mehrere Bücher und eine große Zahl an Aufsätzen und Artikeln für diverse Zeitungen und Zeitschriften. Er begann früh damit und war nach seiner Rückkehr aus dem schwedischen Exil in den west-deutschen Medien bald sehr präsent. Der vorliegende Band enthält die "Kleinen Schriften" Fritz Bauers, also die nicht-monographischen Veröffentlichungen, die er zwischen 1921 und 1968, dem Jahr seines Todes, verfasst hat. Darunter sind einige, die bisher entweder gänzlich unbekannt oder kaum verfügbar waren, und manche, die erst postum erschienen sind. Zweck der Edition ist es, Bauers Texte sowohl der historischen Forschung als auch einer zunehmend an ihm interessierten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Ins Exil war Bauer 1936 als politisch Verfolgter und als jüdischer Sozialdemokrat gegangen, der die Haft in einem Konzentrationslager hinter sich hatte. Seine jüdische Herkunft prägte ihn womöglich stärker, als seine späteren öffentlichen Bekundungen dies erkennen lassen: Als er 1949 nach West-Deutschland kam, bezeichnete er sich ausdrücklich als Atheisten, als "glaubenslos". Später stand er der Humanistischen Union nahe, einer religionskritisch eingestellten bundesdeutschen Bürgerrechtsvereinigung. Bauer war ein "nichtjüdischer Jude", ganz im Sinne des Schriftstellers Isaac Deutscher. Bei aller Glaubenslosigkeit war er nämlich mit den religiösen Riten des Judentums vertraut und mit einigen jüdischen Gruppierungen verbunden. In seinem assimilierten jüdischen Elternhaus wurden die jüdischen, nicht die christlichen Feiertage begangen. Als Student trat er sowohl in Heidelberg als auch in München der jüdischen Studentenverbindung "Freie Wissenschaftliche Vereinigung" bei. Als "jüdischer Amtsrichter", der sein Amt missbraucht habe, wurde er verunglimpft, als er in den frühen 1930er Jahren, noch vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten, in Stuttgart tätig war. Adolf Gerlach schrieb das in einem antisemitischen Artikel im NS-Kurier. Fritz Bauer wehrte sich gegen die Verleumdung des Journalisten und stellte Strafantrag gegen ihn wegen übler Nachrede und Beleidigung. Dass er dem Jüdischen trotz Verfolgung und Exil verbunden blieb, kam nach dem Zweiten Weltkrieg auf vielfältige Weise zum Ausdruck. So erwog er, wie seine Schwester Margot sagte, nach seinem - allerdings niemals erfolgten - Eintritt in den Ruhestand für einige Zeit in Israel zu leben. Fraglos steht Bauer in der Tradition der assimilierten deutschsprachig-jüdischen Intellektuellen, in der sich so große Namen finden wie Sigmund Freud, Albert Einstein, Hannah Arendt und Hans Kelsen. Eines ist besonders wichtig: Fritz Bauer war Teil einer spezifisch linken jüdischen Tradition. Gerade in Frankfurt am Main steht er in einer Reihe mit zahlreichen jüdischen Sozialdemokraten und Sozialisten: etwa dem Begründer des deutschen Arbeitsrechts Hugo Sinzheimer, der in der NS

Schlagzeile

Jurist, Remigrant, jüdischer Intellektueller, Sozialdemokrat