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Die Welt zu Füßen

Roman

Erschienen am 04.08.2008
Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783453353138
Sprache: Deutsch
Umfang: 736 S.
Format (T/L/B): 4 x 18.7 x 11.8 cm
Einband: kartoniertes Buch

Autorenportrait

Lesley Lokko , 1964 in Schottland geboren, stammt aus einem ghanaisch-schottischen Elternhaus. Sie wuchs in Ghana, Westafrika, auf und studierte Architektur in ihrer Heimat sowie in Großbritannien und den USA. Seit 1995 lehrt sie an verschiedenen Universitäten, derzeit in London. Nach ihren erfolgreichen Büchern "Die Welt zu Füßen"und "Wen die Götter küssen" ist "Mein ist die Welt" Lesley Lokkos dritter Roman bei Diana.

Leseprobe

Dezember 1990 Paris Um vier Uhr nachmittags war es schon dunkel, und ein feiner grauer Nebel senkte sich auf die Champs-Elysees. Weihnachtslichter schimmerten im Regen und warfen rote und goldene Lichtkaskaden auf die feuchten Straßen. Eine große, schlanke junge Frau eilte über das Trottoir und zog den schwarzen Wollmantel enger um sich. Nervös sah sie auf die Uhr: Er würde auf halber Strecke in der Stadt auf sie warten, und sie hatte sich wie üblich verspätet. Ein schwarzer BMW hielt vor ihr, aber sie war zu beschäftigt, nach einem Taxi Ausschau zu halten, um auf den Wagen zu achten. Ein Mann stieg aus, blieb direkt vor ihr stehen und versperrte den Weg. Ungeduldig und noch immer nach einem Taxi suchend, versuchte sie, an ihm vorbeizugehen. Er streckte die Hand aus und rief ihren Namen. Argwöhnisch sah sie ihn an. Sie war es gewohnt, von Fremden erkannt zu werden, aber diese Stimme klang irgendwie vertraut. Sie versuchte ihn im trüben Licht der Straßenlaterne genauer zu erkennen. »Was machst du denn hier?«, fragte sie überrascht und versuchte, sich zu erinnern, wann sie sich zum letzten Mal gesehen hatten. In Los Angeles? In London? Bevor er antworten konnte, hörte sie einen weiteren Wagen anhalten, sie hörte eine schwere Wagentür zufallen und Schritte hinter sich. Sie drehte sich um und fragte sich, was all die Hektik sollte. Sie bemerkte nicht, dass der Mann den beiden hinter ihr kurz zunickte. Einer von ihnen streckte plötzlich den Arm aus, packte sie am Ellbogen und zog sie an sich. Von Panik ergriffen, versuchte sie, sich loszureißen. Noch bevor sie schreien konnte, legte sich eine behandschuhte Hand auf ihren Mund, der andere Mann öffnete die Wagentür, sie wurde brutal auf den Rücksitz gestoßen und stieß sich dabei den Kopf am Türrahmen. Niemand bekam etwas mit: In Sekundenschnelle war alles vorbei. Im Innern des Wagens packte sie jemand an den Haaren und drückte sie mit dem Gesicht nach unten auf die Ledersitze. Der Mann, der sie in den Wagen gestoßen hatte, stieg neben ihr ein, ein anderer auf der gegenüberliegenden Seite. Die Türen wurden zugeschlagen, und die beiden Autos fuhren an. Sie begann zu schreien, während der Wagen losbrauste und heftig schleuderte, als der Fahrer im dichten Verkehr mehrmals die Spur wechselte und in Richtung Arc de Triomphe raste. Die Hand, die auf sie zukam, spürte sie eher, als dass sie sie gesehen hätte. Sie nahm einen scharfen, beißenden Geruch wahr, der ihre Sinne benebelte, und ihr wurde schwarz vor Augen. September 1981 Malvern, England Irgendwann während der Fahrt schreckte sie plötzlich aus dem Schlaf. Für den Bruchteil einer Sekunde war sie wieder zu Hause im Hinterhof und beobachtete Poppie, die im gleißenden Licht des Johannesburger Sommers Wäsche aufhängte. Einen Moment lang hörte sie das kreischende Lachen ihres Cousins Hennie und ihrer Cousine Marika, die im Pool am Ende des Gartens Abkühlung suchten. Der Pool. Fast automatisch kamen ihr die Tränen. Sie schüttelte schnell den Kopf und zwang sich, nicht mehr an die Vergangenheit zu denken. An Südafrika. Das war vorbei. Jetzt war sie in England. Sie sah aus dem Fenster, während der Mercedes von Heathrow nach Malvern fuhr, in den Westen des Landes. Grauer Himmel, graue Felder. niedrig hängende, dichte Wolken, ständig drohender Regen. Es war so anders als das Licht und die Weite, die sie gerade hinter sich gelassen hatte, Welten entfernt von dem klaren Himmel über dem hohen Buschland und den sich weit öffnenden Landschaften des Westkaps. Regentropfen liefen über die Windschutzscheibe, langsam und trüb wie Speichel, der das Licht abhielt und die Grenzen zwischen Wolken und Himmel verschwimmen ließ. England. Sie erschauerte. Nie hatte sie sich so allein gefühlt. Sie drückte sich noch tiefer in die weichen Ledersitze und wischte sich mit dem Handrücken die Tränen ab. Dann schloss sie die Augen wieder. Noch immer konnte sie ihre Gesichter in der Abflughalle vor sich sehen - Marikas verheult, Hennies traurig, das Leseprobe