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Männer, Macht, Körper

Hegemoniale Männlichkeiten vom Mittelalter bis heute, Geschichte und Geschlechter 49

Erschienen am 10.10.2005, 1. Auflage 2005
Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783593378596
Sprache: Deutsch
Umfang: 232 S.
Format (T/L/B): 1.5 x 21.3 x 14 cm
Einband: Paperback

Beschreibung

Karl der Große, ein habsburgischer Offizier des 19. oder ein Fußballfan des 20. Jahrhunderts repräsentieren jeweils in ihrer Zeit vorherrschende Bilder von Männlichkeit. Das Konzept der hegemonialen Männlichkeit des australischen Robert William Soziologen Connell erlaubt es, diese Männlichkeitskonstruktionen und die damit verbundenen Machtbeziehungen zu fassen. Wie dieses Konzept für die Geschlechtergeschichte nutzbar gemacht werden kann, zeigen die Autorinnen und Autoren in diesem Band. Mit Beiträgen von Bea Lundt, Martin Dinges, Christa Hämmerle, Marian Füssel, Nicole Grochowina, Martin Lücke, Michael Meuser, Andrea Moshövel, Miriam Rürup, Marc Schindler-Bondiguel, Sylka Scholz, Almut Sülzle und Monika Szczepaniak

Autorenportrait

Martin Dinges ist stellvertretender Leiter des Instituts für Geschichte der Medizin der Robert Bosch Stiftung in Stuttgart und ao. Professor für Neuere Geschichte an der Uni Mannheim.

Leseprobe

Der australische Soziologe Robert William Connell hat 1987 sein Konzept der "Hegemonialen Männlichkeit" zunächst in dem Buch Gender and Power, später in weiteren Fassungen vorgelegt. Seither wurde sein Interpretament insbesondere in der englischsprachigen Literatur rezipiert, die in der Genderforschung die Rolle des Trendsetters spielt. Insofern ist der weltweite Einfluß von Connell's Überlegungen schwerlich zu überschätzen, der noch durch Übersetzungen seiner Werke seit Mitte der 1990er Jahre weiter stieg. Connells Versuch, der entstehenden Männerforschung einen theoretischen Rahmen zu bieten, entsprach also einem weit verbreiteten Bedürfnis. Wichtige Grundzüge des Konzepts "hegemoniale Männlichkeit" werde ich im Folgenden anhand der deutschen Übersetzung eines seiner späteren Werke, Masculinities, darstellen. Im Jahre 1999 unter dem Titel Der gemachte Mann. Konstruktion und Krise von Männlichkeiten publiziert, wurde diese Fassung des Ansatzes im deutschen Sprachraum am meisten rezipiert. Hintergrund für die Entstehung von Connells Konzept ist einerseits die feministische Kritik der 1970er und 1980er Jahre am Patriarchat in allen seinen Ausprägungen in Wirtschaft, Politik und "Privatleben". In dieser Fassung des Patriarchatskonzepts war neben den konkreten Erscheinungsformen die stete Reproduktion von Männerherrschaft die zentrale Aussage. Gleichzeitig thematisierte die Kapitalismuskritik Herrschaft einer Minderheit über die Mehrheit als Legitimationsprobleme im Spätkapitalismus (Habermas) und als Problem des "falschen Bewußtseins" der unterdrückten Arbeiterschaft. Der italienische marxistische Theoretiker Antonio Gramsci (1891-1937) hatte während seiner Gefängniszeit im faschistischen Italien die Entstehung eines solchen "falschen" Bewußtseins mit der kulturellen Hegemonie des Bürgertums zu erklären versucht. Seine Überlegungen wurden seit den 1970er Jahren rezipiert. Schließlich war eine gesellschaftskritische Fassung der Psychoanalyse - vom "autoritären Charakter", den die Frankfurter Schule als Begleiterscheinung des Kapitalismus diagnostizierte, bis zu Theorien der sexuellen Befreiung (Wilhelm Reich, 1897-1957) in der sich selbst als "kritisch" bezeichnenden Soziologie und in der öffentlichen Diskussion damals sehr bedeutsam. Die genannten Werke lagen sämtlich in englischer Sprache vor und prägten auch Connells Überlegungen. Nach Connell "kann man hegemoniale Männlichkeit als jene Konfiguration geschlechtsbezogener Praxis definieren, welche die momentan akzeptierte Antwort auf das Legitimitätsproblem des Patriarchats verkörpert und die Dominanz der Männer sowie die Unterordnung der Frauen gewährleistet (oder gewährleisten soll)" (98). Mit dieser Definition betont Connell erstens die Praxis, also das Handeln, als den Kernpunkt seines Konzepts. Damit werden Interaktionen in den Vordergrund gerückt.

Inhalt

"Hegemoniale Männlichkeit" - ein Konzept auf dem Prüfstand Martin Dinges Dominante Männlichkeiten Der Mythos vom Kaiser Karl Die narrative Konstruktion europäischer Männlichkeit im Spätmittelalter am Beispiel von Karl dem Großen Bea Lundt "Der hât ainen weibischen muot ..." Männlichkeitskonstruktionen bei Konrad von Megenberg und Hildegard von Bingen Andrea Moshövel Frühmoderne hegemoniale Männlichkeiten "Die Opfer des Herren" Das Ringen um Männlichkeiten im ersten täuferischen Martyrologium Nicole Grochowina Studentenkultur als Ort hegemonialer Männlichkeit? Überlegungen zum Wandel akademischer Habitusformen vom Ancien Regime zur Moderne Marian Füssel Moderne hegemoniale Männlichkeit Zur Relevanz des Connell''schen Konzepts hegemonialer Männlichkeit für "Militär und Männlichkeit/en in der Habsburgermonarchie (1868-1914/1918)" Christa Hämmerle Koloniale Vaterschaft zwischen Marginalisierung und Hegemonie Männlichkeiten in der entstehenden imperialen Gesellschaft Frankreichs (1870-1914) Marc Schindler-Bondiguel Marginalisierte Männlichkeiten? Auf Kneipe und Fechtboden Inszenierung von Männlichkeit in jüdischen Studentenverbindungen in Kaiserreich und Weimarer Republik Miriam Rürup "Das ekle Geschmeiß" Mann-männliche Prostitution und hegemoniale Männlichkeit im Kaiserreich Martin Lücke Männerbund Fußball - Spielraum für Geschlechter im Stadion Ethnographische Anmerkungen in sieben Thesen Almut Sülzle Gewalt in Blau Zum Gewaltdiskurs in Blaubart-Texten des 20. Jahrhunderts aus der Sicht der Männlichkeitsforschung Monika Szczepaniak Soziologische Perspektiven Hegemoniale Männlichkeit Versuch einer Begriffsklärung aus soziologischer Perspektive Michael Meuser, Sylka Scholz Autorinnen und Autoren

Schlagzeile

Geschichte und Geschlechter Herausgegeben von Claudia Opitz-Belakhal, Angelika Schaser und Beate Wagner-Hasel