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Ralf Rothmann: „Im Frühling sterben“

14.09.201520:00 Uhr bis 22:00 Uhr

„Dank seiner eindringlichen Poetik zählt Ralf Rothmann zu den wichtigsten deutschsprachigen Autoren, und als Erzähler ist er womöglich der feinnervigste seiner Generation“ schreibt Sandra Kegel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Sein neuer Roman schildert die Geschichte von Walter Urban und Friedrich „Fiete“ Caroli, zwei siebzehnjährigen Melkern aus Norddeutschland, die im Februar 1945 zwangsrekrutiert werden. Während man den einen als Fahrer in der Versorgungseinheit der Waffen-SS einsetzt, muss der andere, Fiete, an die Front. Er desertiert, wird gefasst und zum Tod verurteilt, und Walter, dessen zynischer Vorgesetzter nicht mit sich reden lässt, steht plötzlich mit dem Karabiner im Anschlag vor seinem besten Freund ...

In beeindruckenden Bildern erzählt Ralf Rothmann vom letzten Kriegsfrühjahr in Ungarn, in dem die deutschen Offiziere ihren Männern Handgranaten in die Hacken werfen, damit sie noch angreifen, und die Soldaten in der Etappe verzweifelte Orgien im Angesicht des Todes feiern. Und wir erleben die ersten Wochen eines Friedens, in dem einer wie Walter nie mehr heimisch wird und noch auf dem Sterbebett stöhnt: „Die kommen doch immer näher, Mensch! Wenn ich bloß einen Ort für uns wüsste …“. Wieder einmal erweist sich der Autor als Meister der Kunst, die spezielle Befindlichkeit von Heranwachsenden zu schildern – der Stil ist minutiös, alle Details stimmen: „Sprach ich meinen Vater in der Kindheit auf sein starkes Haar an, sagte er, das komme vom Krieg; man habe sich täglich frischen Birkensaft in die Kopfhaut gerieben. Ich fragte nicht weiter nach, hätte wohl auch, wie so oft, wenn es um die Zeit ging, keine genauere Antwort bekommen. Die stellte sich erst ein, als ich Jahrzehnte später Fotos von Soldatengräbern in der Hand hielt und sah, dass viele Kreuze hinter der Front aus jungen Birkenstämmen gemacht waren.“

Ralf Rothmann wurde 1953 in Schleswig geboren und wuchs im Ruhrgebiet auf. Nach der Volksschule (und einem kurzen Besuch der Handelsschule) machte er eine Maurerlehre, arbeitete mehrere Jahre auf dem Bau und danach in verschiedenen Berufen, unter anderem als Drucker, Krankenpfleger und Koch. Seit 1976 lebt Ralf Rothmann in Berlin und veröffentlichte zahlreiche Romane, Erzählungen und Gedichte, für die er vielfach ausgezeichnet wurde. Zuletzt erhielt er 2010 den Walter-Hasenclever-Literaturpreis der Stadt Aachen, 2013 den Friedrich-Hölderlin-Preis und im Jahr 2014 den Kunst- und Kulturpreis der deutschen Katholiken.

BlueNote im Cinema-Arthouse, Osnabrück

Eintritt VVK € 7,--/Ak € 9,--